Loriot, kurz Vicco von Bülow, (1923 - 2011) war einer der vielseitigsten deutschen Komiker, Humorist, Cartoonist, Filmregisseur, Schauspieler und Schriftsteller.
Am bekanntesten ist er für seine Cartoons, die Sketche aus seiner Fernsehserie "Loriot" (ab 1976) an der Seite von Evelyn Hamann und seine beiden Filme "Ödipussi" (1988) und "Pappa Ante Portas" (1991).
Leben
Bernhard-Viktor Christoph-Carl von Bülow wurde am 12. November 1923 in Brandenburg an der Havel in Preußen, dem heutigen Brandenburg, im heutigen Nordostdeutschland geboren.
Die Familie von Bülow gehört zum deutschen Adel. Seine Eltern, Johann-Albrecht Wilhelm von Bülow (1899-1972) und Charlotte (geb. von Roeder, 1899-1929), trennten sich bald nach seiner Geburt, seine Mutter starb, als er sechs Jahre alt war. Von Bülow und sein Bruder wuchsen in Berlin bei ihrer Großmutter auf.
Von Bülow war noch in der Schule, als der Zweite Weltkrieg begann. Nach dem vorzeitigen Abschluss des Gymnasiums folgte er der Familientradition und wurde Offizier. Er wurde drei Jahre lang an der Ostfront eingesetzt und diente als Oberleutnant des Panzergrenadierregiments 3 in der 3. Er wurde mit dem Eisernen Kreuz 2. Klasse und 1. Klasse ausgezeichnet. Sein jüngerer Bruder, Johann-Albrecht Sigismund von Bülow, fiel am 21. März 1945, weniger als zwei Monate vor Ende des Zweiten Weltkriegs. Als er später in einem Interview gefragt wurde, ob er ein guter Soldat gewesen sei, antwortete er:
"Nicht gut genug, sonst hätte ich mich am 20. Juli 1944 dem Widerstand angeschlossen. Aber für den furchtbaren deutschen Beitrag zur Weltgeschichte werde ich mich für den Rest meines Lebens schämen."
Von Bülow legte 1946 sein Abitur ab. Im Jahr 1951 heiratete er Romi Schlumbom (geb. 1929), mit der er 2 Töchter – Bettina und Susanne – hatte. Er lebte von 1963 an bis zu seinem Tod (Altersschwäche) am 22. August 2011 in Ammerland am Starnberger See.
Die letzte Ruhestätte befindet sich auf dem Friedhof Heerstraße, Charlottenburg-Wilmersdorf, Berlin. Besucher hinterlassen häufig als Hommage an einen von Loriots bekanntesten Sketchen Gummienten auf dem Grabstein.
Karriere
Nach dem Krieg studierte Bülow Grafikdesign und Malerei an der Landeskunstschule in Hamburg. Ab 1950 veröffentlichte er Cartoons unter dem Pseudonym "Loriot", abgeleitet vom französischen Wort für Pirol, dem Wappentier seiner Familie.
1971 schuf von Bülow einen Zeichentrickhund namens "Wum", dem er selbst die Stimme verlieh. Wum wurde das Maskottchen der Aktion Sorgenkind, einer deutschen humanitären Organisation. In der Weihnachtszeit 1972 wurde Wums Lied "Ich wünsch' mir 'ne kleine Miezekatze" im Sprechgesangstil so populär, dass er sich neun Wochen lang an der Spitze der deutschen Schlagercharts hielt. Wum trat auch in der deutschen Show Der Große Preis [de] auf, wo er bis in die 1990er Jahre in den Pausen zu sehen war. Bald wurde Wum von dem Elefanten Wendelin begleitet, später vom Blauen Klaus, einem Außerirdischen, der mit seiner fliegenden Untertasse hereinschwebte. Loriot hat all diese Sketche selbst geschrieben, gezeichnet und synchronisiert. Jeder Zeichentrickfilm endete damit, dass Loriot die Zuschauer aufforderte, an der Fernsehlotterie teilzunehmen, mit der die "Aktion Sorgenkind" unterstützt wurde. Als die Sendung abgesetzt wurde, endeten auch die Abenteuer von Wum und Wendelin. Heute erscheinen Wum und Wendelin auf der letzten Seite des TV-Magazins Gong.
Die erste Folge der deutschen Fernseh-Comedy-Serie Loriot wurde 1976 produziert. In sechs Folgen präsentierte Loriot Sketche, in denen meist der Protagonist selbst auftrat, und kurze, von ihm selbst gezeichnete Cartoons. Beispiele für Sketche aus der Serie sind "Der Lottogewinner" und "Jodeldiplom".
Loriot hatte eine Vorliebe für klassische Musik und die Oper. Im Jahr 1982 dirigierte er das humorvolle Galakonzert zum 100-jährigen Bestehen der Berliner Philharmoniker. Er ist auch verwandtschaftlich mit der Geschichte des Orchesters verbunden (Hans von Bülow, der erste Chefdirigent des Orchesters, war entfernt mit Loriot verwandt). Seine Erzählfassung von Camille Saint-Saëns' Karneval der Tiere wurde von Loriot mit dem Scharoun-Ensemble, einem aus Musikern der Berliner Philharmoniker bestehenden Kammermusikensemble, wiederholt aufgeführt.
Als Regisseur inszenierte Loriot die Opern "Martha" (Staatsoper Stuttgart, 1986) und "Der Freischütz" (Ludwigsburg, 1988). 1983 produzierte Radio Bremen für die ARD die Sendung "Loriots 60. Geburtstag".
Loriot wurde 2001 die Ehrendoktorwürde der Universität Wuppertal verliehen. Er ist seit 1993 Ehrenbürger seiner Heimatstadt Brandenburg an der Havel und seiner Wahlheimat Münsing. Außerdem war Loriot seit demselben Jahr Mitglied der Bayerischen Akademie der Schönen Künste und seit 1997 der Berliner Akademie der Künste. Seit Juni 2003 ist er Honorarprofessor für Theaterwissenschaft an der Universität der Künste Berlin. Er erhielt zahlreiche Auszeichnungen für seine Leistungen in Fernsehen, Film und anderen Disziplinen.
Merkmale seiner Arbeit
Seine Karikaturen lebten vom Kontrast zwischen der dargestellten Situation, der Würde seiner typisch großnasigen Figuren und der Bildunterschrift. Unweigerlich gerät eines dieser Elemente aus dem Rahmen, wenn er zum Beispiel die Bildunterschrift "Wir fordern die Gleichbehandlung von Männern und Frauen, auch wenn der Säugling vorübergehend an Gewicht verliert" mit dem Bild eines knollennasigen Mannes kombiniert, der vornehm ein Baby stillt. Die Themen seiner Karikaturen entstammen hauptsächlich dem Alltag, Szenen aus der Familie und der bürgerlichen Gesellschaft. Der gleiche Kontrast zwischen absurden Situationen und würdevollem Verhalten seiner Figuren findet sich auch in seinen verschiedenen Sketchen und Filmen wieder.
Loriots enorme Popularität, seine treffsichere Sprache und sein ausgeprägter Sinn für Komik führten dazu, dass eine Vielzahl von Redewendungen und Erfindungen aus den Sketchen der Serie in den deutschen Sprachgebrauch übernommen wurden. Dazu gehören sicherlich das "Jodeldiplom", ein Satz wie "Damit" (besagtes Diplom) "hat man was Eigenes!", "die "Steinlaus", aber auch Bemerkungen wie "Bitte ... jetzt nicht reden.", "Früher war mehr Lametta!", "Schau, ein Klavier! Ein Klavier, ein Klavier!" oder das lakonische, kaum übersetzbare "Ach!?" ("Ach, ist das so?").
Klage wegen Verletzung des Urheberrechts
Bilder mit Loriots Unterschrift und deutsche Briefmarken mit Loriots Themen, die Loriots Eintrag in der deutschsprachigen Wikipedia illustrierten, wurden am 8. November 2011 von der Wikimedia Foundation entfernt. Anlass war eine einstweilige Verfügung, die Wikimedia die Verwendung dieser Bilder untersagte und die von einer Erbin, der Tochter Susanne von Bülows, am 6. Oktober 2011 beim Landgericht Berlin erwirkt worden war, nachdem eine E-Mail der Erbin mit der Bitte um Entfernung der Bilder unbeantwortet geblieben war. Wikimedia musste die Kosten des Verfahrens tragen. Die endgültige Gerichtsentscheidung wurde am 27. März 2012 verkündet; sie bestätigte die einstweilige Verfügung in Bezug auf die Briefmarken, hob sie aber für die Unterschrift auf. Wikimedia wurde verurteilt 4/5 der Verfahrenskosten zu tragen.
Filmografie
Kino / Fernsehen
- Friedrich Schiller – Der Triumph eines Genies (1940); Loriot als Statist
- Haie und kleine Fische (1957); Loriot als Kleindarsteller
- Die Brücke (1959); Loriot als Stabsfeldwebel Zeisler. Die Rolle umfasst u. a. das mehrfache Sprechen des Codeworts „Bienenkorb“ ins Telefon.
- Das Wunder des Malachias (1961); Loriot als Dr. Joachim Schöninger
- Der längste Tag (1962); Loriot in einer Nebenrolle als deutscher Offizier
- Cartoon (1967–1972)
- Journal 1870/71 (1970/71); Loriot erklärt in historischer Aufmachung den Krieg 1870/71 mit Frankreich
- Loriots Telecabinet (1974)
- Loriot I–VI (1976–1978)
- Noch ’ne Oper (1979); Loriot als Theaterkritiker
- Berliner Philharmoniker I (1979)
- Sketche aus der Sendereihe Report (1980–1981)
- Wer spinnt denn da, Herr Doktor? (1981) – Walter der Göttliche (Videotitel); Loriot als alternder Stummfilmstar; mit Evelyn Hamann, Otto Sander, Richy Müller.
- Berliner Philharmoniker II (1982)
- Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull (fünfteiliger Fernsehfilm nach dem Roman von Thomas Mann von Bernhard Sinkel) (1982); kurzer Auftritt als Hausbewohner (mit einer verblüffenden Ähnlichkeit mit Thomas Mann)
- Loriots 60. Geburtstag (1983)
- Evelyn und die Männer (ZDF, 1987); Loriot als Autor und Hauptdarsteller einer Episode; mit Evelyn Hamann, Dagmar Berghoff, Hans Clarin, Peter Fricke, Ruth Maria Kubitschek u. a.; Regie Rolf von Sydow
- Loriots 65. Geburtstag (1988)
- Ödipussi (1988) mit Evelyn Hamann; Katharina Brauren; Edda Seippel; Walter Hoor; Heinz Meier; Dagmar Biener und anderen – Kamera: Xaver Schwarzenberger
- Otto – Der Außerfriesische (1989); Loriot in einer kurzen Sequenz als Paul Winkelmann; Hauptfigur aus Ödipussi
- Pappa ante portas (1991) mit Evelyn Hamann; Gerrit Schmidt-Foß; Irm Hermann; Hans Peter Korff und anderen – Kamera: Gerard Vandenberg
- Loriots 70. Geburtstag (1993)
- Loriots 80. Geburtstag (2003)
DVD
- Loriot – Sein großes Sketch-Archiv. 4 DVDs. Warner Home Entertainment, 2001.
- Loriot – Vollständige Fernseh-Edition. 6 DVDs. Warner Home Video, 2007.
- Loriot – Loriot und die Musik. 5 DVDs. Warner Home Entertainment, 2010.
Sketche und Zeichentrickfilme
Eine Auswahl der klassischen Sketche und Zeichentrickfilme:
- Auf der Rennbahn
- Der sprechende Hund
- Bettenkauf
- Der Familienbenutzer
- Feierabend
- Fernsehabend
- Flugessen
- Das Frühstücksei
- Herren im Bad
- Die Jodelschule
- Kosakenzipfel
- Liebe im Büro
- Der Lottogewinner
- Mutters Klavier
- Die Nudel
- Studiointerview
- Die Steinlaus
- Weihnachten bei Hoppenstedts (beinhaltet Vertreterbesuch und Adventsgedicht)
- Zimmerverwüstung
Literatur
- Selbstzeugnisse
- Selbst-Porträt der Kindheit und Jugend in: Florian Langenscheidt (Hrsg.): Bei uns zu Hause. Prominente erzählen von ihrer Kindheit. Düsseldorf 1995, ISBN 3-430-15945-8.
- Möpse & Menschen. Eine Art Biographie. Diogenes, Zürich 1983, ISBN 3-257-01653-0.
- Zum Leben und Werk
- Genealogisches Handbuch des Adels, Adelige Häuser. A Band XXVII, Band 132 der Gesamtreihe, C. A. Starke Verlag, Limburg (Lahn) 2003, ISSN 0435-2408, S. 118.
- Uwe Ehlert: „Das ist wohl mehr ’ne Kommunikationsstörung“. Die Darstellung von Missverständnissen im Werk Loriots. Alda! Der Verlag, Nottuln 2004, ISBN 3-937979-00-X. (Mit einem detaillierten Katalog der Loriotschen Werke.)
- Daniel Keel (Hrsg.): Loriot und die Künste. Eine Chronik unerhörter Begebenheiten aus dem Leben des Vicco von Bülow zu seinem 80. Geburtstag. Diogenes, Zürich 2003, ISBN 3-257-06359-8.
- Dirk Koob: Loriot als Symbolischer Interaktionist. Oder: Warum man selbst in der Badewanne gelegentlich soziale Ordnung aushandeln muss. In: Forum Qualitative Sozialforschung, 8 (1), 2007.
- Dieter Lobenbrett: Loriot: Biographie. riva, München 2011, ISBN 978-3-86883-143-6, (mit Werkverzeichnis).
- Stefan Neumann: Vicco von Bülow alias Loriot: Werkmonografie. [Wuppertal] 2000, DNB 96239601X (Dissertation an der Universität Wuppertal, , 507 Blätter, Mikrofiche-Ausgabe: 6 Mikrofiches: 24×).
- Stefan Neumann: Loriot und die Hochkomik. Leben. Werk und Wirken Vicco von Bülows. WVT, Trier 2011, ISBN 978-3-86821-298-3.
- Felix Christian Reuter: Chaos, Komik, Kooperation. Loriots Fernsehsketche. Königshausen & Neumann, Würzburg 2016, ISBN 978-3-8260-5898-1.
- Interviews und Gespräche
- Gero von Boehm: Loriot. 10. Januar 1986. Interview in: Begegnungen. Menschenbilder aus drei Jahrzehnten. Collection Rolf Heyne, München 2012, ISBN 978-3-89910-443-1, S. 105–113.
- Loriot: Bitte sagen Sie jetzt nichts. Gespräche. Auswahl: Daniel Keel und Daniel Kampa; Hrsg.: Daniel Keel. Diogenes, Zürich 2011, ISBN 978-3-257-06787-3.
- Würdigungen
- Susanne von Bülow, Peter Geyer, OA Krimmel (Hrsg.): Loriot. Gästebuch. Diogenes, Zürich 2013, ISBN 978-3-257-02122-6.
- Susanne von Bülow, Peter Geyer, OA Krimmel (Hrsg.): Loriot. Spätlese. Diogenes, Zürich 2013, ISBN 978-3-257-02121-9 (Zur gleichnamigen Ausstellung im Literaturhaus München).
- Stefan Lukschy: Der Glückliche schlägt keine Hunde – Ein Loriot-Porträt. Aufbau, Berlin 2013, ISBN 978-3-351-03540-2.
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